Ich bin schon sehr lange Diabetikerin (habe im Herbst mein 40. Jähriges) und mache eigentlich auch schon immer Sport, in irgendeiner Weise – mal mehr,…
Sechs Schritte zur Anpassung meiner Diabetestherapie beim Sport
Einfach so loslaufen oder radeln, weil ich es halt gerade möchte, das geht leider nicht …
Doch das notwendige Vorausplanen und die gründliche Auswertung des Trainings bzw. Wettkampfs sind bereits die einzigen “Einschränkungen”, die mir mein Diabetes auferlegt.
Ansonsten gilt: Alles ist möglich! – Nur die Anpassung meiner Diabetes-Therapie muss irgendwie stimmen.
1. Die drei ???
Nur: Von was ist meine Therapieanpassung abhängig, von welchen Faktoren wird diese beeinflusst?
Um diese komplexe Frage zu beantworten stelle ich mir zunächst drei einfache Fragen:
a. Was möchte ich heute trainieren?
Als Erstes überlege ich mir, was ich heute trainieren möchte, und zwar hinsichtlich
- der Sportart,
- der Trainingsdauer
- und der Intensität.
Vielleicht ist es für Nicht-Sportler überraschend, für alle anderen aber eine Binse, die jeder Sportler mit Diabetes, der verschiedene Sportarten betreibt, sicherlich bestätigen wird:
Der Energieverbrauch und die Insulinempfindlichkeit unterscheiden sich in den Sportarten massiv! Bei mir ergibt sich ganz klar folgende Reihenfolge: Die deutlichsten Therapieanpassungen (bei gleicher Dauer und Intensität!) erfordern Schwimmen und Laufen, während Radfahren und insbesondere Krafttraining weniger starke Veränderungen erfordern.
So verbrenne ich unter vergleichbaren Bedingungen (Tageszeit, Basalrate, Abstand vom letzten Bolus) bei einer halben Stunde Laufen oder Schwimmen ungefähr drei BEs (1 BE = 12 g Kohlenhydrate), beim Radfahren zwei und beim Krafttraining lediglich eine.
In jedem Falle selbstverständlicher sind die beiden anderen Faktoren Trainingsdauer und Intensität. Dabei fällt es mir am leichtesten, die Trainingsdauer zu berücksichtigen, weil sich mein Energieverbrauch bei sich nicht verändernden Bedingungen (s. o.) in der Regel sehr linear verhält: Benötige ich für eine Stunde Sport 5 BEs, sind es für zwei Stunden 10, für drei 15 usw. Die Erfahrung einiger Marathonläufer, dass auf den letzten zehn Kilometern ihr Bedarf an Sport-BEs massiv steigt (wohl weil die Energiereserven der Muskulatur aufgebraucht sind), kann ich nicht bestätigen: Bei mir bleibt der Bedarf – glücklicherweise – konstant, widerspreche aber nicht der Möglichkeit, dass sich der Stoffwechsel bei anderen Menschen ganz anders verhält.
Schwieriger fällt mir die Einschätzung der Trainingsintensität: Während eine gemütliche Trainingseinheit im aeroben Bereich (keine Sauerstoffschuld, eine Unterhaltung mit einem Trainingspartner ist gut möglich) leicht einzuschätzen ist (gleichmäßiger Energieverbrauch bzw. linear fallender Blutzuckerspiegel), sind Trainingseinheiten an der anaeroben Schwelle bzw. im anaeroben Bereich kaum kalkulierbar: Mir scheint, als führe eine hohe Belastungsintensität zu einem geringeren Energieverbrauch und anaerobe Belastungen sogar zu einem leichten Anstieg des Blutzuckers.
Dieses Phänomen lässt sich wohl durch eine höhere Milchsäure-Konzentration im Muskel erklären, denn Lactat (= Milchsäure) senkt bekanntlich die Insulinempfindlichkeit. Aber auch mit diesem Wissen bin ich von meinen Blutzuckerverläufen bei sehr intensivem Training immer wieder überrascht, weil ich die Intensität oft nicht richtig beurteilen kann: Scheinbar habe ich oft kein Gefühl dafür, welche Lactatwerte bei welcher Intensität entstehen.
Sicherlich könnte ein pulsgesteuertes Training, das auf einer sportmedizinischen Leistungsdiagnostik beruht (hier werden sowohl die anaerobe Schwelle als auch die pulsabhängigen Lactatwerte bestimmt), mehr Klarheit bringen. Da ich aber derzeit sowohl Kosten wie Aufwand scheue (die Diagnostik müsste sportartspezifisch erfolgen und in regelmäßigen Abständen wiederholt werden), bleibt also nur trial and error: Ich versuche eine Einschätzung des Energiebedarfs vor dem Training und reagiere während (Blutzucker messen!) und nach dem Training, indem ich entweder zusätzlich esse oder – in der Regel nach dem Training (!) – meinen Blutzucker mittels eines Bolus entsprechend korrigiere.
b. Zu welcher Tageszeit trainiere ich?
Im Verlauf eines Tages schwankt die Insulinempfindlichkeit und damit der Insulinbedarf deutlich. Bei mir – und den meisten Menschen – ist die Insulinempfindlichkeit morgens am geringsten und steigt im Verlaufe des Tages an. Diese Insulinempfindlichkeit spiegelt sich sowohl in meiner Basalrate (morgens wird stündlich deutlich mehr Insulinabgegeben als abends) als auch in meinen BE-Faktoren: Decke ich beim Frühstück 1 BE mit 1,5 Einheiten Insulin ab, ist es abends ein Verhältnis von 1:1.
Parallel dazu steigt und fällt auch mein Energieverbrauch beim Sport: Ein einstündiger 12 Kilometer-Lauf gelingt morgens vor dem Frühstück mit einer zusätzlichen BE, während ich abends fünf Sport-BEs benötige.
c. Ist noch ein Insulin-Bolus unterwegs?
Diese letzte Frage ist vielleicht sogar die wichtigste, denn Sport während eines laufenden Bolus (sei es ein Mahlzeiten- oder ein Korrektur-Bolus) beeinflusst die Therapieanpassung massiv!
Beginnt ein Sportler ohne Diabetes zu trainieren, senkt sich der Insulinspiegel sofort stark. Diese an sich notwendige Reaktion unterbleibt beim Diabetiker, weil wir unser Insulin normaler Weise nicht intravenös verabreichen (hier wäre aufgrund der kurzen Halbwertszeit des Insulins im Blut eine ähnliche Reaktion provozierbar), sondern ins Unterhautfettgewebe spritzen, aus dem das Insulin in einem Stunden dauernden, kurzfristig nicht beeinflussbaren Resorbtionsprozess abgegeben wird. Mit anderen Worten: Einmal abgegebenes Insulin wirkt auch dann, wenn wir es gar nicht mehr brauchen – und unsere unvermeidbaren Hypos erinnern uns immer wieder daran, dass das so ist …
Beginne ich also zu trainieren, während noch Bolus-Insulin unterwegs ist, verstärken sich zwei Aspekte: Das resorbierte Bolus-Insulin trifft auf eine durch den Sport gesteigerte Insulinemfindlichkeit und muss mit einer besonders großen Menge Sport-BEs abgefedert werden. Bei mir verdreifacht (!) sich teilweise bei einem “laufenden” Bolus die Menge der notwendigen Kohlenhydrate: Eine halbe Stunde Laufen kostet dann nicht drei, sondern bis zu neun Sport-BEs! Dabei werden umso mehr Kohlenhydrate verbrannt, je näher mein Sport an den Zeitpunkt des Bolus’ heranrückt. Und auch wenn die Wirkkurven der schnellwirkenden Analog-Insuline suggerieren, das nach drei Stunden der Bolus komplett abgebaut ist, beweist mein Blutzuckerlauf während des Sports, das ein Bolus auch noch nach fünf bis sechs Stunden (!) seine Sport-BEs einfordert.
2. Blutzucker messen
Für mich ist eine Blutzuckermessung vor dem Sport unabdingbar. Denn ohne diese weiß ich nicht, ob der unverzichtbare Sicherheitspuffer nach unten gegeben ist, um nicht in den ersten Minuten meines Trainings in eine Hypoglykämie abzurutschen. Zum anderen muss ich auch eine Ketoazidose (absoluter Insulinmangel) ausschließen, weil diese – und im gesteigerten Maße durch Sport – eine lebensgefährliche Bedrohung ist.
Deshalb halte ich mich an folgende Regeln:
I. Start nur mit einem Blutzucker von mindestens 150!
II. Ist mein Blutzucker größer als 250, überprüfe ich zusätzlich Ketone (im Urin, besser noch im Blut).
Sind diese negativ, steht dem Sport auch ein hoher Blutzuckerwert nicht im Weg …
3. Die für das geplante Training spezifische Therapieanpassung entwickeln und durchführen
Abhängig von meinen Vorüberlegungen und dem gemessenen Blutzucker entwerfe ich eine Therapieanpassung, mit der Sport ohne Hypo möglich ist. Da diese Anpassungen von Training zu Training aufgrund der vielen beeinflussenden Faktoren sehr unterschiedlich ist, gibt es keine Patentrezepte, sondern lediglich Beispiele, die erfolgreiche ebenso wie erfolglose Versuche dokumentieren.
(Wer sich einen Überblick über die Versuche verschaffen will, die ich in diesem Blog dokumentiert habe, benutze die Suchfunktion mit dem Begriff “Diabetes-Anpassung” oder klicke hier: Suche nach: Diabetes-Anpassung.)
Daneben haben sich zwei Prinzipien heraussgemendelt, die ich eigentlich sehr konsequent durchführe:
- Bei einem Training von weniger als einer Stunde Dauer ändere ich nicht meine Basalrate, sondern esse die notwendigen Sport-BEs vorher.
- Bei längeren Trainingseinheiten (mehr als eine Stunde) reduziere ich meine Basalrate (je nach Trainingsvorhaben und Tageszeit um 20 bis 50%; auch der Zeitpunkt der Reduktion richtet sich nach den genannten Faktoren und liegt zwischen 5 und 90 Minuten vor dem Training).
Zudem esse ich die für die erste Trainingsstunde vorgesehenen Sport-BEs vor dem Training, die für die weiteren Stunden notwendigen Kohlenhydrate esse bzw. trinke ich währenddessen. - Während der Belastung messe ich meinen Blutzucker und überprüfe die Angemessenheit meiner vorgenommenen Therapieanpassung und ziehe notwendige Konsequenzen (diese sind essen, nicht essen oder einen Bolus geben, je nach gemessenen Blutzucker-Wert).
Meine Faustregel für die Messzeitpunkte:
Messe immer genau dann, wenn Du nicht weißt, wie hoch Dein Blutzucker gerade ist bzw. wie er sich derzeit entwickelt!
4. Lieber zu hoch fliegen – Not-BEs sind immer dabei!
Um sicher zu gehen, nicht irgendwann bewustlos im Wald liegen zu bleiben, stelle ich meinen Blutzucker immer mit einem ausreichenden Sicherheitspuffer ein: Bei einem Wert unter 150 nehme ich sofort Nahrung zu mir, bei einem Wert unter 100 unterbreche ich mein Training.
Damit dies überhaupt möglich ist, habe ich stets die dreifache Menge der “normalerweise” benötigten Sport-BEs dabei. Dazu gehören auch eine ausreichende Menge Hypohelfer (Vorsicht bei Sportgels, die ausschließlich aus Maltodextrin bestehen: Diese sind hervorragende Gels für die normale Versorgung, bei einer Hypo sind sie jedoch nicht erste Wahl, weil sie zu langsam ins Blut gehen), je nach Dauer habe ich ausreichend Cola, Jubin, PowerBar-Gels o. ä. dabei, um notfalls zwei bis vier Unterzuckerungen sicher begegnen zu können.
5. Und nach dem Sport?
Auch nach dem Sport messe ich erst einmal meinen Blutzucker und überlege mir die nun notwendige erneute Therapieanpassung, die den blutzuckersenkenden Muskelauffülleffekt nach dem Sport berücksichtigt:
- Bei einem zu hohen Wert korrigiere ich sehr vorsichtig (eine bis zwei Einheiten weniger, als der Korrekturfaktor eigentlich vorsieht),
- bei einem normoglykämischen Wert esse ich ein bis zwei BEs ohne Bolusabgabe, um dem blutzuckersenkenden Muskelauffülleffekt ausreichend Futter zu geben, und
- falls ich richtig Hunger habe, berechne ich meinen normaler Weise benötigten Bolus, reduziere diesen aber – wie beim Korrekturfaktor beschrieben – um ein bis zwei Einheiten.
- Hatte ich meine Basalrate für das Training reduziert, so lasse ich diese noch einige Stunden (abhängig von Dauer und Intensität des Trainings) um 10% reduziert weiter laufen.
6. Training macht den Meister
Zuletzt kommt der vielleicht wichtigste Schritt, möchte man seinen Diabetes auch beim Sport wirklich packen: Die Auswertung des Erfolgs oder Misserfolgs der Therapie-Anpassung. Denn ausschließlich das Überprüfen der getroffenen Entscheidungen und das dadurch ausgelöste Lernen ermöglichen, nach und nach besser zu verstehen, wie der eigene Körper mit samt seinen komplexen Stoffwechselvorgängen funktioniert.
Deshalb dokumentiere ich mein Training und die vorgenommenen Anpassungen, um Erfolge wiederholen und Misserfolge vermeiden zu können. Dadurch lerne ich aus jedem Training etwas über mich und meinen Diabetes und werde zugleich sicherer in der Einschätzung dessen, was nötig ist, um sowohl sicher als auch mit großem Spaß Sport zu treiben!
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Das war doch mal ein sehr informativer Artikel, gleich bin ich guter Hoffnung den Berlin Marathon doch zu schaffen.Danke
Liebe Annette,
vielen Dank für das Kompliment. Zum diesjährigen Berlin-Marathon bin ich auch angemeldet. Vielleicht laufen wir uns ja über den Weg?
Viel Spaß und Erfolg jedenfalls bei der Vorbereitung,
Andreas
Hallo erstmal,
ich laufe seit ungefähr Mai diesen Jahres. Und hatte am Anfang richtig Probleme nach dem Laufen. Am Anfang hatte ich nämlich nur die Basalrate an meiner Pumpe gesenkt, inzwischen lauf ich ganz ohne Pumpe.
Natürlich achte ich auf meinen BZ vorher. Er sollte bei mir auch nicht unter 120 sein, habe ich gemerkt. Perfekt zum laufen für mich ist ein Wert von 190. Wenn ich daheim bin, ist der BZ meist um die 80. Dann gibts auch erstmal ne Kleinigkeit zu essen. Und je nachdem was es Abends zu essen gab, wird gar kein Boli abgegeben. Dafür läuft die Basalrate der Pumpe normal weiter.
Gruß aus Franken
Kathrin
P.S. BZ-Gerät nehm ich net mit, aber Traubenzucker ist immer dabei.
Hallo Kathrin!
Danke für Dein hilfreiches Beispiel – wie Du zeigst, ist auch das ein guter Weg, Laufen und Diabetes zu ermöglichen. Bei Läufen bis einer Stunde ist das Ablegen der Pumpe auch sicherlich kein Problem – es gibt sogar Läufer, die einen ganzen Marathon ohne Pumpe absolvieren …
Allerdings sollte man immer wissen, dass man bei längeren Läufen irgendwann einen absoluten (!) Insulinmangel riskiert und in eine Ketoazidose hineinläuft!!!
Da ich ein Vorsichtskaspar bin, würde ich die Pumpe nicht daheim lassen (eher für die Zeit stoppen) – oder zumindest ein Handy mitnehmen.
Denn was ist, wenn ich irgendwo in der Natur (ich laufe viel im Wald) nicht mehr weiterkann, z. B. weil ich mich verletzt habe (ein Bekannter meines Vaters ist mal fünf Stunden lang nach Hause gerobbt, weil er einen Bandscheibenvorfall im Wald hatte und nicht mehr stehen konnte …). Dann ist nach gar nicht allzu langer Zeit kein Insulin mehr im Körper und die unter Umständen lebensbedrohliche Ketoazidose setzt ein. Sicherlich ein Worst-Case-Szenario, aber wie gesagt, ich bin halt ein Sicherheitsfanatiker.
Wer nur im Stadtpark joggt, riskiert natürlich nichts, denn da ist Hilfe immer auf Rufweite.
Gruß, Andreas
Handy ist eh immer dabei. Hör ja meine Musik beim Laufen drüber.
Und das Novo Rapid Insulin hat ja eine Wirkungsdauer von 2,5 Stunden. Von da her kann auch nicht so schnell was passieren.
Gruß aus Franken
Hallo Andreas,
erstmal Wow zu deinen Leistungen und dann Danke für die Vielen tollen Tipps.
Ich bin seit gut 12 Jahren Typ1 (ICT mit Pen Lantus und Novorapid)
Ich hab mir schon oft gedanken über eine Pumpe gemacht, habe aber angst das ich viel Freiheit verliere und noch ein Gerät ständig bei mir tragen muss.
Ich Laufe seit März dieses Jahr und weiß das ich “mein” Hobby gefunden habe und unbedingt ein Marathoni werden will.
Frage mich allerdings ob es wirklich sinnvoll ist Pumpenlos zu bleiben?
VG Sven
Danke für die nützlichen Tipps….ich bin auch ein passionierter Läufer…
@Sven:
Upps… da habe ich ja tatsächlich einen Kommentar übersehen. 🙁
Pumpenlos ginge für mich nicht mehr:
Bei meinem ersten Marathon war ich auch auf Lantus … und das möchte ich nie wieder erleben. Mein Eindruck ist, dass Lantus das für Sport ungeeignetste Langzeit-Insulin ist: Das Depot wird, so wie ich das erlebt habe, bei Sport (und entsprechender Durchblutung) schneller resorbiert als ohne Bewegung. Die Konsequenz (die vor allem bei langen Läufen und im Wettkampf auftrat): Selbst Reduktionen um 70% auf 30% der normalen Lantus-Dosis am Abend (was zu einem Weckerstellen führte, um um 4 Uhr den zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich angestiegenen Blutzucker zu korrigieren) verhinderten NICHT eine Unterzuckerung bzw. massive Kohlenhydrataufnahme während des Laufens. Dafür kam ich dann am Abend (auch wenn ich nicht reduzierte!) in ein Loch und hatte massive BZ-Anstiege, wo doch eigentlich der Muskelauffülleffekt wirken sollte. Mit anderen Worten: Dann wenn ich wenig Insulin im Körper haben wollte, wurde Lantus resorbiert, dann wenn ich Lantus brauchte, war es schon verbraucht.
Hinzu kommt, dass die Resorbtionsdauer von Lantus unerträglich lang ist, bis zu drei Tage werden noch Reste resorbiert (ich wurde deshalb eine Woche vor meiner Umstellung auf die Pumpe von Lantus auf Levemir umgestellt, damit überhaupt eine vom langwirkenden Insulin unbeeinflusste Basalratenfindung möglich ist).
Mein Fazit also: Eine kalkulierbare Einstellung mit wechselndem basalen Bedarf ist mit Levemir kaum möglich! Wenn Du jedoch sportlich nicht aktiv bist (ein Bekannter sagte vorhin am Telefon zu mir: Lantus eignet sich hervorragend zum ganztägigen Sportangeln) und nicht oder nur wenig an der Basalschraube drehst, dann ist Lantus sicher sinnvoll. Für mich war’s eine Katastrophe!
Deshalb wäre ich nach meinem ersten Marathon auf jeden Fall auf Levemir umgestiegen, weil Levemir kein Depot im Unterhautfettgewebe bildet und daher nicht durchblutungsabhängig resorbiert wird, oder – noch wahrscheinlicher – wäre zu den gewöhnlichen NPH-Verzögerungsinsulinen wie Protaphane zurück gekehrt, denn mit diesen kann ich meinen Basalbedarf relativ zeitnah anpassen. Dafür nehme ich dann auch zwei- oder gar dreifaches Spritzen gerne in Kauf.
Noch einfacher gestaltet das natürlich eine Pumpe. Hier kann ich wirklich absolut zeitnah meine Basalrate reduzieren … oder sogar ausschalten! Die Möglichkeiten einer Pumpe sind für Ausdauersportler geradezu ideal, wie ich finde.
Viele Grüße und sorry noch einmal für den übersehenen Post,
Andreas
@jan:
Danke für das nette Lob und Dein knappes Statement.
Danke für diesen Beitrag! Finde mich da wieder. Außerdem habe ich viel daraus gelernt. Vor allem das mit dem Lactattest/Leistungsdiagnostik fand ich interessant. Hatte ja überlegt vor meinem nächsten Marathon eine Leistungsdiagnostik machen zu lassen, bin mir aber nicht sicher, wie sinnvoll das ist und ob sich das lohnt… gerade für Typ-1-Diabetiker. Was wenn der Zucker dabei entgleist, wird dann das Ergebnis verfälscht? (Dumme) Fragen über Fragen…
Eine Leistungsdiagnostik lohnt sich nur, wenn Du
a) wirklich nach einem Trainingsplan trainierst, der die Ergebnisse der Leistungsdiagnostik berücksichtigt (Puls gesteuertes Training), oder
b) Du konsequent in den verschiedenen Bereichen (GA1, GA2, EB1 usw.) trainierst und heraus findest, wie Dein Stoffwechsel auf jeden dieser Bereiche reagiert, sprich Du für jeden Bereich eine spezifische Therapieanpassung entwickelst.
Allerdings ist eine Leistungsdiagnostik wenig aussagekräftig, weil sich die Bereiche durch Training durchaus verschieben bzw. erst eine zweite Diagnostik Auskunft darüber gibt, ob Dein Training wirklich erfolgreich war.
Zudem musst Du an einen wirklich kompetenten Diagnostiker geraten.
Rückblickend betrachtet war meine Diagnostik interessant, hat mir aber weder hinsichtlich Therapieanpassung noch hinsichtlich Trainingsplanung wirklich etwas gebracht. Ich habe doch eher nach Lust und Laune trainiert bzw. nach Gefühl und nicht nach Pulswerten: Einen Berg hochzustürmen und oben ausgepowert anzukommen macht einfach viel zu viel Spaß, als dass ich hoch schleiche, nur um einen heute angesagten Pulsbereich einzuhalten.
Was ein Gewinn war, war das gleichzeitig stattfindende, medizinisch betreute Belastungs-EKG: Hier habe ich mich zum ersten Mal ausbelastet (in den “normalen” Praxen leisten die Ergotrainer viel zu wenig Watt) und weiß, dass mein Herz wirklich gesund ist!
Aber nicht desto trotz: Eine Woche Trainingslager ist sicherlich besser investiert, ein entsprechend anspruchvolles Belastungs-EKG geht bestimmt auch bei einem niedergelassenen Arzt.
Viele Grüße,
Andreas
Danke Andreas, damit hast du mir schon sehr viel weitergeholfen. Ich denke, ich werde mir demnächst einen Termin für ein Belastungs-EKG geben lassen. Hab ich auch schon länger drüber nachgedacht.
Bezüglich der Leistungsdiagnostik war ich mir schon länger unsicher, ob nun…oder ob nicht. Ich werde es erst mal lassen. Danke!
Habe derzeit auch mit einer Blutanämie zu kämpfen, die mich beim Training manchmal etwas in die Knie zwingt (Sauerstoffmangel). Hoffe, dass das bald wieder in Ordnung kommt. Schließlich beginnt jetzt ja wieder die Wettkampf-Saison. Für dich auch alles Gute für den Fuß!
Lieben Gruß
Steffi
Hallo Andreas,
erstmal danke für Deine wirklich guten Schilderungen.
ich trainiere seit etwa 8 Monaten auf den Hamburg-Marathon im Mai 2011. Ich bin seit 32 Jahre Typ1 Diabetiker, habe keine Spätfolgen und eine sehr eigenwillige Therapie: 1x abends Protaphan (normalerweise 18 IE,beim Sport weniger) und 2IE/BE Humalog.
Ich trainiere sehr engagiert nach Trainingsplan und Herzfrequenz. so habe ich es vom Laufeinsteiger vor etwa 8 Monaten zum Laufen von 30km Trainingsläufen gebracht.
Wegen der Trainingspläne habe ich eine Lactatbestimmung gemacht und möchte Sie nicht mehr missen. Ich weiß jetzt genau, wann meine anaerobe Zone bzw. die jeweiligen Trainingszonen beginnen/enden. Dies ist für mich sehr wichtig, da meine Therapieanpassung je nach Trainingszone völlig verschieden ist.
Laufe ich im Regenarationslauf (<65% der max HF) dann verbrenne ich die von die genannten BE-Anzahlen. Ich muss also Sport-BEs essen. eine Therapieanpassung brauche ich in diesem Bereicht nicht.
Laufe ich im GA1 Bereich (65-75% der max. HF) dann verbrate ich nur sehr wenig BEs, muss also nichts zuessen, wenn ich bei 160 bis 200 starte. Selbst nach 3 Stunden laufen muss ich max. nur 2 BE essen. Allerdings muss ich danach für etwa 6 Stunden meine Basalrate und meine Bolusraten um etwa 50% senken.
Laufe ich im GA1/2 Bereich (75-85%) dann wird es spannend. In diesem Bereich verbrauche ich nämlich keine BEs!! Mein Zucker steigt sogar eher (um etwa 50 – 100). Die erste halbe Stunde nach dem Laufen steigt der Zucker nochmal um 100 umd dann in der nächsten Stunde um etwa 200 zu fallen. Und dann kann ich ESSEN bis zum Abwinken – ohne Bolus. Meine Spitze liegt bei 15 oder 18 BE (ich weiß es nicht mehr so genau, da ich den 37iger Wert schnell erhöhen wollte). Hier macht sich also der Muskelauffülleffekt massiv bemerkbar. Die Therapieanpassung besteht in einer Drittelung der Basalrate (6IE!!) am Abend und eine Drittelung der Bolusrate. Dieser Zustand hält je nach Länge des Laufs und der Uhrzeit bis zu 15 Stunden an. In dieser Zeit messe ich fast stündlich und korrigiere oft mit SportBEs.
Im GA2 Bereich (85-90%) trainiere ich nur bei Sprints also sehr kurz und kann daher keine Aussage über seine Auswirkungen treffen.
Bei mir reicht es schon aus zwei Herzschläge über der anaeroben Schwelle zu laufen, also 75% – 77%, um meine Muskeln leer zu laufen und den oben beschriebenen Effekt zu bekommen.
Wenn ich also auf meinen Herzschlag achte, kann ich genau sagen (oder jedenfalls recht genau, den der Diabetes ist halt immer etwas anders…), welche Therapieanpassung ich machen muss. Ohne Herzschlaguhr und Lactatmessung müsste ich mich auf das Gefühl verlassen. Und das stimmt fast nie! Denn wenn man anfängt mit der Uhr zu laufen, stellt man fest, dass man oft viel zu schnell und zu hoch läuft.
BTW: So ein Trainingsplan bringt auch Spaß, denn man kann sehr gut seine Fortschritte sehen. Und die Lactatmessung kostet zwischen 60 – 120 Euro, je nachdem wo man sie macht.
mit laufenden Grüßen
Michael
Hallo Michael,
vielen Dank für Deine ausführlichen Darstellungen, die sich in der Tendenz mit meinen zwischenzeitlich gemachten Erfahrungen decken (und mich daran erinnern, dass ich diese Seite längst einmal überarbeiten wollte!). Insbesondere die Abhängigkeit Sport-BE zur Trainingsintensität ist ähnlich, auch wenn die Kurve geringfügig anders verläuft.
Für Vorträge hatte ich folgende Grafik erstellt, die dieses Verhältnis abbildet:
[img=http://666kb.com/i/bt57z552ltqmbz7jv.jpg][/img]
Man sieht, dass auch ich bei geringer Intensität einen sehr hohen BE-Verbrauch habe, der dann nach und nach bei zunehmender Intensität abnimmt und im anaeroben Bereich sogar zu steigendem Blutzucker führt. Das Ganze ist also in der Tat sehr ähnlich zu Deinen Erfahrungen. 🙂
Meine Leistungsdiagnostik war eine doppelte Spiroergometrie, einmal auf dem Rad, einmal auf dem Laufband. Allerdings bin ich wohl nicht ein sklavischer Trainingsplanbefolger (zumindest bisher nicht), der sich – wie oben dargestellt – wirklich für eindeutige Trainingszonen entscheiden kann. Ein “Heute nur GA1” gelingt mir sehr selten. 😉 Aber wenn ich es täte, dann kämen noch klarere Regeln heraus als die Tendenz in meiner Grafik.
Viele Grüße und vielleicht mal auf einen gemeinsamen Lauf in Hamburg, super, wie gut Deine Einstellung funktioniert (bei so wenig Basal, Protaphan ist ja nach 6-8 Stunden aus dem Blut raus),
Andreas
Hallo Andreas,
freut mich, dass ich nicht allein diese Erfahrungen mache.
Ich würde mich über einen gemeinsamen Lauf freuen. Aber wahrscheinlich wirst Du schon eine Stunde vor mir beim Pasta-vernichten sitzen 🙂 Denn mein Ziel beim diesjährigen Marathon heißt: Durchkommen in um die 5 Stunden… Ich traue mich noch nicht den ganzen Marathon im anaeroben Bereich zu laufen. Dann würde ich wohl auch 4:30 oder 4:20 schaffen 😉
Das mit dem Einhalten der Trainingzonen habe ich am Anfang auch nicht hinbekommen. Allerdings konnte ich dann nur mäßige Trainingsvorschritte sehen. Seit etwa 2 Monaten halte ich mich sklavisch an meinen Trainingsplan und kann fast jeden Monat 1km/h mehr bei den lange Läufen beobachten. Das bringt dann schon Spaß zu sehen, wie man auf einmal wirklich schneller wird.
Zu meiner Einstellung: Ja die ist wirklich etwas exotisch. Ich hatte da schon mal eine seeehr lange Diskussion mit einem Diabetologen. Er sagte – genau wie Du – das könne nicht funktionieren. Ich zeigte ihm dann aber meine Fastenprotokolle – ich faste ein bis zwei mal im Jahr für 10 – 14 Tage -, bei denen ich die Basalrate auf 8 absenken muss und trotzdem den ganzen Tag über keinen BZ-Anstieg habe. ich dachte manchmal schon, vielleicht ist die Bauchspeicheldrüse ja wieder angesprungen 🙂
Auf alle Fälle haben mich Deine Erfahrungen wieder dazu motiviert, über eine Pumpe (ich hatte mal eine vor 15 Jahren für 3 – 4 Jahre, Disetronic) und eine kontinuierliche Glucosemessung nachzudenken.
BTW: Super Grafik. Nur wie hast Du den Verlauf so hinbekommen, wenn Du nicht nach HF läufst.
mfg
Michael
Stimmt, das ist auf den ersten Blick ein Widerspruch. den ich aber erklären kann.
Selbstverständlich laufe ich auch mal bestimmte Trainingsinhalte: Langer Lauf nach Möglichkeit im GA1/2-Bereich, Tempodauerlauf an der anaeroben Schwelle, Intervalle im anaeroben Bereich. Ich setze mir schon jedes Mal andere Ziele, aber bin außer bei Intervallen und Tempodauerläufen wenig konsequent. Allerdings messe ich stets meinen Puls und sehe, in welchen Zonen ich wie lange gelaufen bin und ermittle einen Durchschnittspuls. All das wird mit SportTracks ausgewertet und gespeichert. Dadurch kann ich schon Schlüsse auf meinen Verbrauch ziehen und eine solche Grafik rechtfertigen.
Auch berücksichtige ich diese Kurve bei meiner Einstellung vor dem Training: Ich überlege mir, was ich – zumindest ungefähr – vorhabe, und passe entsprechend meine Therapie an.
Einen Marathon kann man nicht im anaeroben Bereich laufen, aber durch Training wird das Tempo schneller, das knapp unter der Schwelle gelaufen werden kann. Ich konnte, bei meinem schnellsten Marathon, etwa 4:30 km/h an der Schwelle laufen.
Aber auch wenn das schneller ist, als Du zurzeit läufst, können wir einen gemeinsamen Lauf andenken. Vielleicht ja auch mit einigen anderen Diabetikern aus Hamburg, die ich inzwischen kennengelernt habe. Ich überlege mal, wann das sein könnte.
Viele Grüße,
Andreas
Super Blog, vielen Dank erst einmal –
Wirklich interessante Aspekte mit der Trainingsintensität und dem BE-Bedarf.
Wie zuvor ausgedrückt wurde, senkt mäßiger Sport den Blutzuckerspiegel.
Bei den Diabetes Typ 1ern ist ja eigentlich “nur” die Insulinproduktion kaputt. Wenn Gesunde laufen, so schüttet irgendwann die Leber dann Zucker aus, damit der Gesunde keine Unterzuckerung erfährt. Diese Funktion der Leber geht aber nur bei einem extrem niedrigen Insulinspiegel im Blut.
Nun meine Frage, wenn ich nahezu kein Basis oder Bolus im Blut habe, dann bräuchte ich doch KEINE SportBE ? Der Körper müsste den Zucker doch selbst produzieren. Aber ich habe Angst dieses auszuprobieren, ausserdem weiss ich nicht, ob mein BasisInsulin schon zu viel ist, um die Leber zu blockieren.
Ist mein Gedanke falsch oder liegen hier Erfahrungswerte vor ?
Gruss Till
Hallo Till,
Danke für das Lob und Deine Frage!
[quote]Nun meine Frage, wenn ich nahezu kein Basis oder Bolus im Blut habe, dann bräuchte ich doch KEINE SportBE?[/quote]
Das ist theoretisch möglich, allerdings nur sehr schwer bis unmöglich zu realisieren …
Beim Stoffwechselgesunden führt eine massive und kurzfristige Absenkung des Insulinspiegels zum Glycogenabbau in der Leber und damit zur Freisetzung von Glucose. Dieser schnelle und deutliche Abbau ist aber nur möglich, weil Insulin im Blut sehr schnell zerfällt und die Bauchspeicheldrüse von jetzt auf gleich die Abgabe von Insulin drosseln kann.
Wir hingegen haben unser Insulin durch Pumpe oder Spritze im Unterhautfettgeweve geparkt, von wo es nur nach und nach das Blut erreicht. Auch schnell wirksame Analoginsuline werden noch 4 – 6 Stunden, manchmal auch noch länger resorbiert. Eine schnelle und starke Absenkung ist perse unmöglich! Selbst wenn wir zwei oder drei Stunden vorher unsere Basalrate massiv drosseln, erreichen wir nicht gleiche Wirkungen, weil der Abfall der Insulinkonzentration langsam vonstatten geht.
Allerdings habe ich zuletzt gute Erfahrungen gemacht mit deutlichem Absenken der Basalrate vor dem Sport: Mindestens eine Stunde vorher (!) senke ich meine Basalrate auf 10% und lasse diese auch noch während der ersten halben Stunde so weiterlaufen. Dann erhöhe ich meine Basalrate auf 40-60%, je nach Trainingsvorhaben, Tageszeit, Ausgangsblutzucker usw.
Effekt: Ich versuche soweit es geht den Effekt beim Stoffwechselgesunden zu imitieren, also auch meinen Insulinsspiegel massiv zu senken, um weniger eine Glucosefreisetzung zu erreichen als vor allem den Fettstoffwechsel anzukurbeln, denn auch der ist auf einen niedrigen Insulinspiegel angewiesen.
Das schlägt sich nieder in deutlich weniger Sport-BE: Zwar benötige ich noch eine Initialladung von etwa drei BE, danach kann ich aber meist ohne Sport-BE trainieren, auch drei Stunden am Stück laufen. Im Gegenteil, wenn ich die BR-Rate nicht wieder anhebe, dann steigt der Blutzucker sogar während des Sports.
Eine wichtige Bedingung, dass das so funktioniert, ist aber, dass kein Bolus mehr wirkt (Ausnahme ist bei mir nur das Frühstück, dass ich mit einer oder zwei IE statt 7 IE abdecke).
Darauf achten solltest Du, dass Du grundsätzlich noch Insulin im Körper hast, eine Ketoazidose beim Sport ist lebensgefährlich!!! Also 10% BR nur für weniger als eineinhalb Stunden und danach mindestens 30%!
Ansonsten ist es so, dass eine “normale” (also den BZ konstant haltende und nicht senkende) Basalrate (ohne zusätzlich wirkenden Bolus) durchaus Fettstoffwechsel und Glycogenese ermöglicht, allerdings nicht so effizient und wirkungsvoll wie bei einem niedrigeren Insulinspiegel.
So weit erst einmal, viele Grüße,
Andreas
Hallo Andreas,
hochinteressant,
nun bin ich nicht gerade der Hochleistungssportler.
Wie es beschrieben wurde, wie bei mir auch, wirkt das vor dem Sport gespritzte Insulin wesentlich stärker.
Wenn ich etwas esse UND dazu spritze, anschliessen Sport treibe, dann wirkt das Insulin stärker, aber was ist mit der Nahrung ?
Wird die Nahrung erst nach dem Sport verdaut, so dass erst später der Blutzuckerspiegel ansteigt ?
Könnte es sein, dass beim Sport die Nahrung erst einmal unverdaut im Magen liegt, das Insulin zu wirken beginnt, der Blutzucker abfällt und nach dem Sport (wenn das Insulin schon abgebaut wurde) die Nahrung den Blutzucker wieder steigen lässt ? Wäre dieses denkbar ? (funktioniert natuerlich nur bei vollwertiger Nahrung, nicht bei Traubenzucker) Ich habe hier noch keine Erfahrungswerte.
Wie sind Deine Erfahrungen mit dem Essen ?
Beste Grüße,
Till
Bei Sport verlangsamt sich die Verdauung erheblich, sodass es durchaus vorkommen kann, dass die mühsam gefutterten Sport-BE erst nach der Einheit ins Blut schießen. 🙁
Daher sollten die BE kurz vor und während des Sports leicht verdaulich sein (auch Bananen sind recht schwer verdaulich!), wenn Du allerdings länger, z. B. eine Stunde vor dem Sport, etwas zu Dir nimmst, dann kann das durchaus auch ein Vollkornbrot oder ein Müsli sein, falls Dein Magen das verträgt.
Die massive Blutzuckerwirkung eines Bolus beim Sport (ich habe schon 12 BE/Stunde beobachtet!) resultiert aus mehreren Faktoren:
– Beim Sport wird die Insulinempfindlichkeit enorm erhöht: Insulinrezeptoren bilden sich, sodass kleinere Insulinmengen noch wirken können; also wirkt das gespritze / abgegebene Insulin deutlich stärker.
– Durch den noch wirkenden Bolus ist der Insulinspiegel so hoch, dass weniger Glucogenese in der Leber stattfindet und der Fettstoffwechsel gehemmt ist, der Körper also weniger “Zucker” ins Blut schafft.
– Hinzu kommen natürlich der höhere Energieverbrauch durch die Betätigung und die oben beschriebene verlangsamte Nahrungsaufnahme.
Viele Grüße,
Andreas
Hallo Andreas,
super Seite, schöner Blog – sehr motivierend!
Aus eigener Erfahrung möchte ich mich Deinen und Tills letzten Kommentaren anschließen auch zu einer erheblichen Reduktion von Insulin vor und beim Sport raten. Ein Nichtdiabetiker nimmt ja auch keine Sport BEs zu sich. Und ganz ehrlich, der Durchschnittsläufer wie ich hat nie etwas dagegen Gewicht zu verlieren. Ich esse lieber nach dem Sport Pflaumenkuchen mit Sahne als während des Sports eklige Glibbergele (habe ich natürlich trotzdem ausreichend dabei).
Ich bin knapp älter als Du, seit etwa 15 Jahren T1 und habe früher zunächst etwas rumprobiert was geht und was nicht. Für mich läuft es sich doch am besten nach dem Motto “Kein Insulin -kein Problem”. Marathon geht damit gut, wenn auch nicht in so Traumzeiten unter 3:15 (Glückwunsch!!!). Aber das liegt bei mir nicht am Zucker 🙂 Vor der Ketoazidose habe ich überhaupt gar keine Angst, die stellt sich doch eigentlich erst nach sehr langem Insulinmangel ein – Tage eher als Stunden, oder? Da ich keine Pumpe benutze, ist wahrscheinlich auch immer irgendein Rest Basis oder Bolus “unterwegs”.
Also, je nach Plan mit nicht zu viel und nicht zu wenig BZ in den Wettkampf, etwas Basisinsulin wenn man zwischendurch essen möchte, und gut ist. So ähnlich sollte Deine neue Strategie von 10% Basispumpenrate ja auch funktionieren.
Was ich eigentlich sagen will ist: Man sollte seinen Körper gut kennen und für alle Fälle genug Kohlenhydrate dabeihaben, aber dann einfach genießen und die BZ Werte nicht in den Vordergrund stellen. Für die Leser Deines Blogs ist Deine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Werten sicher großartig, sollte aber niemanden abschrecken. Wer nur so für den Hausgebrauch sporteln möchte und keine Topzeiten anstrebt kann dies auch mit sehr wenig Diabetes-spezifischem Aufwand realisieren.
Kleiner Erfahrungsbericht: Habe kürzlich meinen ersten Tri (OD 1,5/42/10) gemacht. 4h vorher 4IE Basal (klassisches “kurzes” Verzögerungszeug, kein Lanthan), etwa 2h vorher 1IE Humalog (schnelles) 30 min vorher ein paar Riegel, ein Gel direkt vor dem Start mit einem Wert von etwa 220 mg/dl. Zwischendurch mal ein Gel, und etwa 70 g Carbs aus der Trinkflasche. Nach gut unter drei Stunden und knapp unter 170 mg/ml im Ziel mit breitem Grinsen.
Schöne Grüße, ich werde Deine Berichte auf jeden Fall regelmäßig weiter verfolgen,
Horst (alias)
Danke für Deinen langen Beitrag, den ich in jedem Punkt nachvollziehen und unterstreichen kann!
Nur die Ketoazidose gestaltet sich (vor allem) bei Pumpenträgern anders: Die Pumpen werden mit Analoginsulin betrieben, das – an sich glücklicher Weise – recht schnell resorbiert wird. Das heißt aber auch anders herum, dass falls kein Insulin mehr fließt auch in zwei bis maximal sechs Stunden ein absoluter Insulinmangel vorliegt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt setzt auch die Lipolyse ein, bei der Ketone freigesetzt werden. Ketone senken den ph-Wert des Blutes, man wird azidotisch (Acid = Säure) und die Ketoazidose entwickelt sich. Wer jetzt nicht entschieden handelt, kann durchaus innerhalb der nächsten Stunden das Bewusstsein verlieren und ins Koma fallen. Jeglicher Sport bei einer beginnenden Ketoazidose verbietet sich, weil dies den Verlauf verschlimmert und das Herz enorm schädigen kann!
Bei Diabetikern, die Basalinsulin spritzen, ist die Gefahr natürlich geringer. Ein NPH wirkt ja locker viermal so lange, Levemir und insbesondere Lantus sind oft sogar über 24 Stunden nachweisbar und verhindern so eine Ketoazidose. Aber auch ein vergessenes oder ausgelassenes Basalinsulin kann durchaus zu ketoazidotischen Entgleisungen führen.
Leider hatte ich erst im Zusammenhang mit meiner Pumpe eine entsprechende Schulung und Aufklärung, ich wusste vorher gar nicht, das so etwas möglich ist. Ich dachte auch, das ereignet sich nach Tagen. Aber das ist nur so, solange eine Restproduktion vorhanden ist. Ansonsten zählt man, wenn KEIN Insulin mehr im Körper ist, eher in Stunden!
Viele Grüße,
Andreas
Hallo,
ich weiß nicht, ob mein Kommentar jetzt zu 100% hierher passt. Aber Sport + Diabetes I bereitet mir und meinem Leben gerade sehr große Probleme. Ich finde keinen Arzt, der mich bei der Anpassung unterstützen kann. Mein eigentlicher Diabetologe sagt mir einfach ich soll Sport machen, der nicht anstrengend ist. Man müsse die Basiseinheiten nicht anpassen, obwohl ich das jetzt schon öfter gelesen habe. Und überhaupt könne ich mit meiner Krankheit einfach keinen Leistungssport betreiben. 🙁 Ich habe in den letzten Monaten einfach selbst experimentiert, aber das hat meinen Hba1c komplett negativ beeinflusst. Mein Internist hat mir jetzt eine Kur angeboten, bei der ich wieder besser eingestellt werden soll und vor allem auf das Thema Sport eingegangen werden soll. Meine Aufgabe dabei: eine Klinik suchen und finden. Das mit dem suchen hab ich hin bekommen. Das mit dem Finden nicht. Muss ich jetzt mit dem Laufen, dem Radfahren, dem Schwimmen und dem Handball aufhören? Das kann und will ich nicht akzeptieren. Erfahrungen? Vorschläge?
Hallo Heidi,
ich habe vor ca. 2.5 Jahren Typ I Diabetes bekommen. Nach der Diagnose im Krankenhaus habe ich den Krankenschwestern gesagt, dass sie sich anstrengen sollen mich wieder Fit zu bekommen, da ich in 3 Monaten eine Halbmarathon hätte. Sie habe mir gesagt, ich könne durchaus weiter Sport machen und solle es aber etwas ruhiger angehen. Ich bin den Lauf mitgelaufen und bin auch gut zurecht gekommen. Jedoch habe ich mich auch gut vorbereitet, bin viel gelaufen und habe viel ausprobiert und ausgestestet. Ich war direkt nach dem Krankenhaus auch auf Kur in der Saale-Klinik in Bad Kissingen. Ich würde es so formulieren, ambitionierte sportliche Typ I Diabetiker waren nicht unbedingt der Schwerpunkt der Klinik. Von daher konnte ich mich nur mit den Betreuern/ Ärzten unterhalten und entsprechend ausprobieren. Ich habe keinen Vergleich, schlecht fand ich es nicht, aber beim nächsten mal würde ich nach etwas besseren Auschau halten. Ein anderer Patient hatten von Bad Mergenheim geschwärmt.
Mir haben die obigen Tipps sehr geholfen. Besonderst wichtig empfand ich es immer 2-3h nach dem Essen zu pausieren bevor ich mit dem Sport beginn. Alles immer gleich zu belassen hilft mit Sicherheit auch sehr viel.
Empfehlen kann ich dir auch sehr das Buch von Ulrike Turm und Bernhard Gehr: “Diabetes- und Sportfibel. Mit Diabetes weiter laufen”. Mein Fazit: Unterhalte dich mit vielen, frage viel, lese viel, frage deine Arzt und Diabetesberater und bilde dir schliesslich deine eigene Meinung und finde deinen eigenen Weg, aber lass es ruhig angehen. Wenn sie dir nicht weiterhelfen können oder wollen, ist es an der Zeit einen anderen Arzt zu finden, welcher dich besser unterstützen kann.
Es ist sicherlich nicht immer einfach, man muss auch Kompromisse eingehen und entsprechend planen. Jedoch für mich persönlich kann ich sagen, dass ich sportlich weit über meine Leistungen vor dem Diabetes hinaus gewachsen bin (bewusstere Ernährung und weniger Gewicht). Einen Halbmarathon laufe ich jetzt ca. 20min schneller. Das einzige Hobby, welches ich mir noch nicht wieder erkämpft habe ist Tauchen (sicherlich auch aufgrund anderer Freizeitaktivitäten).
Viele Grüße und vorallem viel Erfolg,
Thomas
@thomas:
Vielen Dank für Deine klugen, motivierenden Worte: Genau so sehe ich das auch!
Sicherlich wird man oft das Vorurteil hören, Diabetiker sollen einen Gang zurück schalten, Leistungssport ist nicht möglich. Aber es gibt genügend Beispiele in vielen sehr verschiedenen Sportarten, die das Gegenteil beweisen. Sicherlich ist nicht jeder zu allem in der Lage, aber das sind Stoffwechselgesunde auch nicht! Und ein schlecht eingestellter Diabetiker sollte auch nicht die Eiger-Nordwand durchklettern – aber warum soll das einer, der sich mit seinem Diabetes auskennt und diesen beherrscht, nicht tun?
@Heidi:
Kliniken mit dem Schwerpunkt Diabetes & Sport kenne ich nicht. Eine Möglichkeit ist jedoch das Arzt-Patienten-Seminar der AG Diabetes und Sport. Hier werden unter fachärztlicher Anleitung verschiedene Sportarten ausprobiert und mit der Einstellung experimentiert. Einige Teilnehmer fahren da seit Jahren hin, weil es in der Gruppe wohl sehr viel Spaß macht. Insbesondere Menschen mit wenig Erfahrung profitieren aber sicherlich enorm, für den erfahrenen leistungsorientierten Sportler ist jedoch wenig Neues zu erfahren:
http://www.diabetes-sport.de/arzt-patienten-seminar.html
http://www.diabetes-sport.de/_media/media/veranstaltungshinweise/aps_2013_programm_anmeldung.pdf
Viele Grüße,
Andreas
Vielen Dank für eure Kommentare. Zumindest bin ich jetzt nicht mehr ganz so frustriert. Auch wenn ich immer noch nicht weiß, welche Klinik ich meinem Arzt vorschlagen soll. Aber zumindest habe ich ein paar frische Ideen. Danke!
Hallo Andreas oder alle Anderen,endlich habe ich mal eine Seite gefunden wo mehr Sport verbunden mit Leistungssport im Vordergrund steht.Meine Tochter 10 Jahre seit
2,5 Jahren Diabetes Typ 1 macht seit 4 Jahren Langlauf.Davon 2 Jahre auf Leistungsebene.Natürlich klappt das nur mit Hilfe der Eltern einigermaßen.Sie hat Talent und ist mit Leib und Seele dabei.Nur jetzt geht es auf Trainingslehrgänge mal 1Woche mal ein paar Tage.Bisher war sie einmal mit,wobei mein Mann mitgefahren ist.Das geht aber nicht immer,wegen der Arbeit und natürlich auch wegen der Kosten.Sie will und muss natürlich auch mit damit sie auch ihre Leistung steigern kann.Wir wissen nur leider nicht wie das alles klappen soll.Sie ist schon recht selbstständig und wir haben auch schon neben einer Reha und diversen Diabetesschulungen alles mitgemacht.Aber so alleine 2-3mal täglich Training ist doch für ein Kind noch zuviel Verantwortung und so können wir sie dann doch nicht mitlassen.Die Trainer sind allesamt sehr nett und unterstützen uns wie es geht .Besser geht es nicht.Nur was sollen wir machen oder wo gibt es vielleicht einen Sportmediziner der einem helfen kann. vielen Dank Kirsten
Hallo Kirsten,
erst einmal: Super, dass Deine Tochter (Leistungs-)Sport betreibt und von Dir und Deinem Mann so toll unterstützt wird!
Ich habe meinen Diabetes erst mit 18 Jahren bekommen und konnte ihn sofort selbst managen, für eine 10 Jährige mag das noch nicht (auf sich allein gestellt) möglich sein – denke ich mir zumindest. Von daher bin ich überfragt, ob das alles für eine Zehnjährige möglich ist. Wenn es möglich ist, kann ich es mir nur so vorstellen: Wichtig ist, dass sich die Trainer sehr genau auskennen, wenn Du oder Dein Mann nicht dabei sein können. Vielleicht geht da ja etwas, wenn Deine Tochter mit ihrem Wissen und die Trainer mit ihrer Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zusammenarbeiten; ein Telefonkontakt zu den Eltern ist eine zusätzliche Sicherheit. Es könnte dann so ablaufen: Die Trainer wissen, wann gemessen werden muss, welche Blutzucker anzusteuern sind, welche Sport-BE und Insulinanpassungen bei welcher Belastung nötig sind u.s.w. (Therapieplan mit genauen wenn-dann-Festlegungen) und bestehen darauf (gegenüber der Tochter), dass all das auch zuverlässig kontrolliert/bedacht wird. Unerwartetes und Fragen werden dann telefonisch mit den Eltern besprochen – die hoffentlich stets erreichbar sind. Allerdings geht das nur, wenn sich die Trainer das zutrauen und ihr das nötige Vertrauen habt. Und ein wenig Mut …
Hinsichtlich einer ärztlichen Betreuung werde ich eine Ansprechpartnerin per E-Mail nennen, die hoffentlich weiter weiß. Ein Restrisiko wird bei unserer Erkrankung immer bleiben, aber das existiert auch im Alltag, in der Schule oder zuhause.
Viele Grüße,
Andreas
Hallo Andreas hab mich schon mal vor ungefähr einem Jahr mit dir Unterhalten und wollte fragen ob es so etwas wie ein Forum Diabeteskranker Triathleten oder Ausdauersportler gibt würde mich da sehr gerne etwas Austauschen. Ich hab die Boxhandschuhe an den Nagel gehängt und mach jetzt Triathlon. Was ich dich persönlich fragen wollte ist das wenn du bei einem 10km Lauf am Limit läufst wirklich nur 1-2 BE benötigst ? Ist bei mir nämlich überhaupt nicht so. Mit steigender Intensität steigt auch der BE Bedarf(vor allem auf dem Rad) na ja ist halt bei mir so. Naja da gibt es noch so viel ……………..
Hallo Andreas,
wow, besser kann es nicht erklärt werden. Ich habe nach meiner Diagnose vor 3 Jahren gerade wieder mit dem Laufen angefangen und Dank Deinem Artikel bin ich viel entspannter und habe die nötige “Trial-And-Error-Geduld”, die beginnt Früchte zu tragen.
Danke.
Hallo Pitschi,
vielen Dank für Deine lieben Worte: Genau das ist der Sinn und Zweck des Artikels, jedenfalls hoffe ich das.
Dir wünsche ich ganz viel Erfolg auf dem Weg zurück zum Laufen!
Andreas
Mein Vater hat sein Leben lang viel Sport getrieben. Jetzt mit 65 ist bei ihm Diabetes diagnostiziert worden. Nun
überlegt er, wie er vor allem das Laufen mit der Diät vereinbaren kann. Dieser Blog wird ihn daher sicher sehr interessieren. Danke und viele Grüße
Vielen Dank für einen interessanten und informativen Beitrag. Meine Bekannte hat vor Kurzem erfahren, dass sie insulinabhängig ist. Jetzt muss sie lernen, damit zu leben. Gut zu wissen, dass sie auf Sport nicht verzichten muss. Mit vorsichtigem Training und richtigem Essen kann sie hoffentlich ganz fit bleiben.
Liebe Heike, vielen Dank für Dein Feedback! Erzähle Deiner Bekannten, dass im Sport (fast) alles möglich ist, sie darf “vorsichtig” sein, muss es aber nicht. Vielleicht sollte man mit Vorsicht beginnen, um zu lernen, wie es geht – aber dann, dann ist jede Intensität möglich.
Falls Du es nicht in meinem Blog gelesen hast, dann empfehle ich das Buch von Ulrike Thurm und Bernhard Gehr: Diabetes- und Sportfibel. Da steckt sehr viel Know How drin und unzählige Berichte von den unterschiedlichsten Sportarten:
Diabetes- und Sportfibel: Mit Diabetes weiter laufen